Die jährlichen Veranstaltungen im Rahmen des Christopher Street Day (CSD) erinnern an jenen ersten großen Aufstand im Juni 1969 von homosexuellen und trans*-Menschen, der den Beginn ihrer modernen Emanzipationsbewegung markiert: Während einer gewalttätigen und rassistisch motivierten Polizei-Razzia in der New Yorker "Stonewall Inn"-Bar, bei der homosexuelle und trans*-Menschen inhaftiert werden sollten, widersetzten sich diese. Dabei handelte es sich nicht um die erste Razzia – ihr gingen viele vorraus, bei denen Personalien festgestellt und zum Teil medial veröffentlicht wurden. Daraufhin begannen mehrtägige Ausschreitungen, bei denen sich vor allem queere People of Color gegen staatlich legitimierte und mit Polizei-Einsatz durchgesetzte Diffamierung, Diskriminierung, Inhaftierung und Ermordung von nicht-heterosexuellen Menschen zur Wehr zu setzen.
Trotz vieler kleiner Fortschritte in den vergangenen Jahren erleben homosexuelle, trans*- und inter*geschlechtliche Menschen auch heute noch gesetzliche Ungleichbehandlung, so z.B. in der Bildungspolitik und im Adoptionsrecht. Auch können wir es nicht hinnehmen, dass der Bundesrat einer vollständigen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe zustimmen würde, der Bundestag sich dagegen jedoch vehement verweigert.
Der CSD Weimar 2016 weist nicht nur auf die Diskriminierung von homosexuellen und trans*-Menschen hin, sondern verurteilt jegliche Diskriminierung von Menschen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung, Ausdrucksweise, ihrem Geschlecht, ihrer Geschlechtsidentität oder Beziehungsform.
Mensch sein - Vielfalt anerkennen
Mit dem Motto „Mensch sein - Vielfalt anerkennen“ möchten wir uns gegen jede Form von Schubladendenken aussprechen: Wir alle sind Menschen, für die die gleichen Rechte und Pflichten gelten- es gibt keine Abgrenzungen und niemand soll sich in Kategorien einsortieren müssen. Gleichzeitig unterstreicht es (im Sinne von "menschlich") die klare Ablehnung von menschenverachtenden Ideologien. Diese Forderung stellen wir – in Anbetracht aktueller internationaler Entwicklungen – für alle Menschen auf der gesamtem Welt: So verurteilen wir beispielsweise das in Russland erlassene Gesetz, das die „Propaganda von Homosexualität“ unter Strafe stellt.
Der CSD Weimar fordert dazu auf, ...
- die Individualität aller Menschen anzuerkennen und daraus keine Besser- oder Schlechterstellung einzelner Gruppen zu begründen.
- dass sich Entscheidungsträger_innen für die Abschaffung diskriminierender Gesetze auch im Ausland engagieren.
- Weltweit die Menschenrechte für alle (LGBT*I*-) Menschen eingehalten werden
Rehabilitierung und Entschädigung von homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus
Begründet mit der "Rassenhygiene" wurden homosexuelle Menschen (vor allem Männer) während des Nationalsozialismus verfolgt, in Zuchthäusern sowie als "Rosa-Winkel-Häftlinge" in Konzentrationslagern inhaftiert, gefoltert und für menschenverachtende Experimente missbraucht.
Fast alle der ohnehin wenigen überlebenden Rosa-Winkel-Häftlinge mussten auch nach nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands rechtliche und soziale Ächtung erfahren. Eine Entschädigung für ihr erlebtes Leid blieb ihnen ebenso verwehrt wie eine breite öffentliche Anerkennung als NS-Opfergruppe.
Daran änderte leider auch eine 2002 vom Deutschen Bundestag versprochene Rehabilitation nichts, da kaum tatsächliche Wiedergutmachungen folgten. Die menschenrechtsverachtende Verfolgung der homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus muss sichtbar gemacht und thematisiert werden. Zudem sollten Entschädigungen für erfahrenes Leid geleistet werden.
Der CSD Weimar fordert
- die Anerkennung Homosexueller als Opfergruppe sowie die Rehabilitation und Entschädigung der während des Nationalsozialismus verfolgten homosexuellen Menschen.
- die Rehabilitierung und Entschädigung homosexueller DDR/BRD-Opfer.
- Auch nach dem zweiten Weltkrieg wurden homosexuelle Menschen nach §175 StGB (BRD) und §151 StGB (DDR) in beiden deutschen Strafgesetzen kriminalisiert. Insgesamt wurden so über 50.000 Männer verurteilt. Obgleich der Paragraph 1994 gestrichen wurde, fehlt eine Rehabilitation oder gar Entschädigung der Opfer der verschiedenen Fassungen/Gesetze.
Vielfalt in Lehr- und Bildungseinrichtungen - Akzeptanzförderung durch Bildung
Informationen über LGBT*I*, geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, müssen verbindlich und altersgerecht in Lehrplänen, Unterrichtsmaterialien und in (sozial-) pädagogischen Fort-, Aus- und Weiterbildungsrichtlinien festgeschrieben werden. Kinder und Jugendliche erleben bedeutende Abschnitte ihres Lebens in Bildungseinrichtungen. Kindergärten, Vorschulen und Schulen müssen diskriminierungs- und gewaltfreie Lern- und Sozialisationsorte sein, an denen Akzeptanz, Offenheit und Vielfältigkeit gemeinsam gelebt werden, denn an diesen Orten werden nicht nur Wissen sondern auch Wertevorstellungen erworben.
Die Akzeptanz von LGBT*I*-Lebensweisen muss durch fächerübergreifende Aufklärung in Schulen und Vorschulen gefördert werden. Nur so können Vorurteile sowie Homo- und Trans*phobie verhindert bzw. abgebaut werden.
Auch Lehrende und Erziehende müssen an Schulen ein offenes Klima finden, so dass sie zu ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität auch dann stehen können, wenn diese von der vermeintlichen "Norm" abweichen. Nur so können sie authentische Rollen(vor)bilder präsentieren.
Der CSD Weimar fordert, ...
- dass Informationen über LGBT*I*, geschlechtliche und sexuelle Vielfalt, verbindlich und altersgerecht in Lehrplänen und Unterrichtsmaterialien verankert sein müssen.
- dass die Aufklärung und Sensibilisierung von Lehrkräften und Erzieher_innen durch fundierte Wissensvermittlung in entsprechenden Aus- und Weiterbildungen erfolgen.
- dass eine verstärkte inklusive Bildungs- und Erziehungsarbeit an Thüringer Schulen durch unterstützte, fächerübergreifende Projekte, die vorurteilsfrei Themen wie Homo- und Bisexualität, A- und Pansexualität sowie Intergeschlechtlichkeit, Transidentität ausführlich, unaufgeregt und wertschätzend behandeln, stattfindet.
- dass unterstützende Anlaufstellen für Kinder, Jugendliche, Eltern und pädagogosches Personal geschaffen und bekanntgemacht werden.
Ehe und Familie - Vielfalt anerkennen
Längst sind Beziehungs- und Familienformen jenseits des traditionellen Ehealltags - nicht nur unter homosexuellen Menschen - weit verbreitet. Zwar gilt seit 2013 das Ehegattensplitting auch für Menschen, die in eingetragenen Lebenspartner_innenschaften leben, doch werden weiterhin durch gesetzliche Regelungen in bestimmten Bereichen nur heterosexuelle Ehepaare staatlich gefördert (so z.B. im Adoptionsrecht). Dabei übernehmen Menschen auch in anderen Beziehungsformen Verantwortung füreinander und ziehen z.T. Kinder groß.
Alle gesetzlichen Regelungen sollten sich an der Lebenswirklichkeit orientieren und nicht allein an tradierten Gerüsten wie der Ehe, die längst nicht mehr als Garantie für stabile Lebensverhältnisse und Nachkommen gesehen werden kann. Regenbogenfamilien, Paare ohne Trauschein, Lebensgemeinschaften, die aus mehreren Personen bestehen und Alleinerziehende werden hingegen aktiv benachteiligt, obwohl diese mit ihren Kindern einen Mehrwert für unsere Gesellschaft schaffen.
Der CSD Weimar fordert
- die Umsetzung der vollständigen rechtlichen Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartner_innenschaften mit der Ehe.
- die Öffnung der Ehe im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)- und das nicht nur für Lesben und Schwule, sondern auch für intergeschlechtliche Menschen, denen ohne Personenstand jegliche Form der Verpartnerung verwährt werden.
- die gleichberechtigte Anerkennung aller Beziehungs- und Familienformen, in denen zwei oder mehr Menschen verantwortungsvoll miteinander leben
- die rechtliche Anerkennung von Regenbogenfamilien mit mehr als zwei Elternteilen (Kleeblattfamilien).
- die umfassende Gleichstellung von Regenbogenfamilien im Sozial-, Sorge-, Adoptions- und Abstammungsrecht.
Gleichberechtigter Zugang zu künstlicher Befruchtung (Insemination und in vitro Fertilisation) und Adoption
Die Kosten einer künstlichen Befruchtung werden von den gesetzlichen Krankenkassen derzeit zu 50% übernommen. Dies gilt aber nur für zwei Versuche und nur für verheiratete und damit heterosexuelle Ehepaare. Alle anderen potentiellen Eltern mit Kinderwunsch müssen den kompletten Inseminationsprozess selbst finanzieren.
Auch eine gemeinsame Adoption ist momentan für lesbische und schwule Paare nicht erlaubt.
Dabei leuchtet ein, dass das Kindeswohl nicht vom Trauschein der (heterosexuellen) Eltern abhängt. Alle möglichen Formen von Elternschaften müssen gleichberechtigt unterstützt werden, unabhängig von sexueller Orientierung, Geschlechtsidentität oder partnerschaftlicher Konstellation. Auch homosexuelle Paare, Menschen in Beziehungen aus mehr als zwei Personen sowie Alleinstehende können liebevolle Eltern sein, die Verantwortung für Kinder übernehmen wollen und können. Familie ist, wo Kinder liebevoll aufwachsen.
Der CSD Weimar fordert
- gleiche Rechte und Unterstützung aller Beziehungsformen bei der Familienplanung / Familiengründung / Elternschaft und bei der gemeinschaftlichen Adoption.
- uneingeschränkten Zugang zu reproduktionsmedizinischen Maßnahmen für Frauen, die in einer Lebenspartnerinnenschaft leben, oder alleinstehende Frauen.
- die automatische Anerkennung der Elternschaft des nicht gebärenden Elternteils in eingetragenen Lebenspartner_innenschaften.
Keine Form der Diskriminierung innerhalb der Community
Während sich homosexuelle Menschen in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr Rechte erkämpften, zeigt sich nun zunehmend, dass Vorurteile und Klischees auch in der queeren Community existieren. Es finden Ausgrenzungen statt, sexistische und rassistische Äußerungen fallen in Gesprächsrunden; Aussehen, Alter und Statussymbole usw. spielen eine immer größer werdende Rolle...
Der CSD Weimar ruft deshalb auch die Community selber auf, Schubladendenken und ausgrenzendes Verhalten abzulegen, sich kritisch mit bestehenden Gewalt- und Machtkonstellationen auseinanderzusetzen und Menschen offen und vorurteilsfrei zu begegnen. Denn ALLE Menschen sind gleich an Rechten und Würde.
Freie Entscheidung des Geschlechts
Menschen sind vielfältig und einzigartig. Dennoch werden sie binär in eine Welt eingeteilt, in der lediglich weiblich oder männlich existiert. Doch die Realität sieht anders aus - und das nicht nur in gesellschaftlichen Zuschreibungen, sondern auch biologisch. Die Vielfalt dazwischen und daneben ist viel größer als gedacht. Dennoch werden den beiden Geschlechter-Kategorien allgemeingültige Eigenschaften und eindeutige sexuelle Orientierungen zugeschrieben, die als "normal" gelten. "Abweichungen" hingehen werden pathologisiert: So werden Frauen* hormonell normalisiert und Männern* ohne Bartwuchs eine Geschlechtsidentität abgesprochen. Auch die Stereotypisierung "richtigen" geschlechtlichen Verhaltens ist ein traditionelles Instrument zur Delegitimierung und gesellschaftlichen Unterdrückung der Position von Frauen und LGBT*I*-Menschen, indem sie u.a. in bedeutenden Fragen überhört und damit entmündigt werden.
Besonders menschenverachtend sind so genannte "geschlechtsangleichende" Operationen, die bei Neugeborenen und Kleinkindern aus angeblicher medizinischer oder sozialer Notwendigkeit durchgeführt werden, während nur in sehr seltenen Fällen eine wirkliche medizinische Indikation besteht. Diese operativen Zwangsmaßnahmen zur Geschlechtsangleichung sind laut UN-Folterausschuss zu verbieten und dürfen nur auf Wunsch der fordernden Personen durchgeführt werden. Es muss ein gesetzlicher Anspruch auf soziale, psychologische, somatische und chirurgische Rehabilitation geschaffen werden, welche den individuellen Bedürfnissen entsprechen.
Es muss eine Abkehr vom Geschlechterzwang stattfinden, um Menschen mit uneindeutigen oder mehrdeutigen Geschlechtsmerkmalen und Menschen mit einer anderen Geschlechtsidentität als dem medizinisch zugewiesenen Geschlecht freie Entfaltung zu bieten.
Der CSD Weimar fordert
- das Recht auf eine durchgehende Selbstbestimmung aller Menschen über ihre geschlechtliche Identität.
- das Verbot der operativen Zwangsgeschlechteranpassung bei Kleinkindern, die nicht in das heteronormative Anatomiebild von vermeintlicher Weiblich-/Männlichkeit passen, wenn keine lebensbedrohliche Indikation vorliegt.
- eine umfangreiche Aufklärung und soziale und/oder psychologische Begleitung von Intersex-Kindern und deren Eltern / Familien.
- dass chirurgische und medikamentöse/hormonelle Eingriffe an Menschen, die mit nicht eindeutigen biologischen Geschlechtsmerkmalen geboren wurden, nur mit der informierten Einwilligung der Betroffenen erfolgen dürfen.
- die Abschaffung der verlangten psychologischen Gutachten bei einem Antrag auf Änderung des Vornamens und des Peronenstands laut TSG, denn sie kollidieren mit dem Recht der fordernden Person auf Selbstbestimmung
- eine deutliche Erleichterung der Zugangsvoraussetzungen sowohl bei der Vornamensänderung im Namensregister als auch bei der personenstandsrechtlichen Änderung der Geschlechtszugehörigkeit auf Wunsch der fordernden Person.
- langfristig die Abschaffung der Ungleichheit determinierenden Kategorisierung Geschlecht auf allen (bürokratischen) Ebenen.
- dass trans* Menschen ein vorbehaltloser Zugang zu medizinischen Eingriffen ermöglicht wird.
Keine religiöse Diskriminierung
Religion und Glaube sind für viele Menschen ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens. Sie orientieren sich nach in ihnen festgelegten Werten und Normen. In einigen Auslegungen von Religionen gelten sexuelle Handlungen, die nicht auf Fortpflanzung abzielen, als sündhaft. Unter anderem resultieren hieraus Ablehnung oder gar Verfolgung von nicht-heterosexuellen Menschen. Ausgeblendet wird hier immer wieder das in den meisten Religionen verankerte Grundmotiv der Nächstenliebe. Auch werden selektiv einzelne Gebote bewusst überbetont, andere hingegen ebenso bewusst ausgeblendet.
Der CSD Weimar fordert, ...
- dass kein Mensch aufgrund von vermeintlich religiösen Motiven verfolgt wird. Stattdessen sollen alle Menschen wertgeschätzt und religiöse Normen immer unter Beachtung der gesellschaftlicher Realitäten betrachtet werden.
- Dass Konversionstherapien, die den Zweck verfolgen, zu heterosexuellen Lebens- und Liebesweisen bekehren zu wollen, verboten werden
Aufhebung des Blutspendeverbotes für schwule und bisexuelle Männer
Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), werden durch eine gemeinsame Richtlinie der Bundesärztekammer, des Robert-Koch-Instituts und des Paul-Ehrlich-Institutes als Risikogruppe bei der Übertragung von Blutprodukten eingestuft und damit pauschal von Blutspenden ausgeschlossen. Davon sind u.a. auch Menschen betroffen, die in langjährigen monogamen Beziehungen leben oder seit langer Zeit keine sexuellen Kontakte hatten. Gleichzeitig werden in Thüringen (heterosexuelle) Menschen nicht ausgeschlossen, die erst kürzlich einen mit einem Risiko behafteten Sexualkontakt hatten. Mit den aktuellen Ausschlusskriterien werden zahlreiche potentielle Blutspender_innen daran gehindert, anderen Menschen zu helfen. Gleichzeitig wird so der lebensbedrohliche Notstand an Blutkonserven – gerade in Sommer- und Urlaubszeiten – verstärkt. Nur durch eine Befragung ALLER Blutspender_innen nach ihrem tatsächlichen Risikoverhalten und ihren Sexualgewohnheiten kann die Sicherheit von Blutprodukte-Empfänger_innen und gleichzeitig die Zahl der Blutspenden erhöht werden.
Der CSD Weimar fordert
- die Aufhebung des Blut- und Organspendeverbotes für homosexuelle und bisexuelle Männer. Es darf nicht von der sexuellen Orientierung abhängen, ob ein Spender infrage kommt, sondern vom individuellen Risikoverhalten.
- eine Befragung ALLER Blutspender_innen nach ihrem tatsächlichen Risikoverhalten und ihren Sexualgewohnheiten.
Geflüchtete Menschen willkommenheißen! Homosexualität und Trans*identität als Asylgründe
Die freie Wahl der sexuellen Orientierung und der geschlechtlichen Identität ist ein Menschenrecht. Deshalb ist es dringend geboten Verfolgung, die sich auf die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität bezieht, als Asylgrund angemessen zu berücksichtigen. In vielen Staaten der Welt sind LGBT*I*-Menschen massiver Verfolgung sowie (sexualisierter) Gewalt ausgesetzt und müssen im schlimmsten Fall um ihr Leben fürchten. Die bis vor kurzem gängige Praxis deutscher (Abschiebe-)Behörden, Betroffene zum "Verstecken" ihrer Orientierung oder Geschlechtsidentität anzuhalten, ist schlicht menschenverachtend.
Der CSD Weimar fordert, ...
- die bedrohliche Situation von Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und / oder Geschlechtsidentität in Deutschland Asyl suchen, anzuerkennen und Abschiebungen in Länder, in denen ihnen Folter, Erniedrigung sowie (strafrechtliche) Verfolgung drohen, unverzüglich zu stoppen und die bestehende Gesetzgebung diesbezüglich zu verändern.
- die konsequente und umfassende Unterstützung von Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, weil sie aufgrund ihrer Homosexualität bzw. LGBT*I*-Lebensweisen in ihren Heimatländern gefährdet sind bzw. verfolgt werden.
- dass entscheidungstragende Beamt_innen und Richter_innen sachgerecht – beispielsweise mit Blick auf die Yogyakarta-Prinzipien - sensibilisiert und geschult werden.
- kostenfreie Sprachmittler_innen, die in LGBT*I*-Belangen geschult und sensibel sind, für Anhörungen von Flüchtlingen vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
- sicheren Wohnraum für LGBT*I*-Flüchtlinge.
- dass Menschen, die mit Flüchtlingen arbeiten (in Flüchtlings-Wohnheimen, Behörden usw.) in LGBT*I*-Belangen sensibilisiert und geschult sein müssen.
- dass Flüchtlinge umfangreiche Informationen in ihrer Muttersprache über Beratungs- und Hilfsangebote erhalten – auch und insbesondere im Bereich von LGBT*I*.
Heterosexismus überwinden
Der Diskriminierung von LGBT*I* in der Gesellschaft muss durch aktive Aufklärungs- und Bildungspolitik sowie Antidiskriminierungsarbeit entgegengewirkt werden. Unterschiede müssen respektiert, gesellschaftliche Vielfalt wertgeschätzt, gezeigt und aktiv gefördert werden. Denn die Vielfalt von Lebensentwürfen ist nicht nur eine kulturelle Bereicherung, sondern auch Ausdruck der Grundwerte einer demokratischen Gesellschaft. LGBT*I*-Sichtbarkeit muss gestärkt und Coming-out unterstützt werden.
Der CSD Weimar fordert
- wertschätzenden, anerkennenden Umgang mit vielfältigem Denken, Fühlen, Handeln und Leben über die Heteronormativität hinaus.
- eine Erweiterung / Umgestaltung der in der Gesellschaft verfestigten Normen und Kategorien von sexuellen Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten, auch und insbesondere durch jede_n Einzelne_n.
- eine breite Aufklärungs- und Bildungsarbeit innerhalb der Gesellschaft zur Überwindung der Heteronormativität.
- die flächendeckende Einrichtung unabhängiger Antidiskriminierungsstellen, die sich allen Diskriminierungsfeldern zuwenden bzw. mit konkreten sachkundigen Ansprechpartner_innen zusammenarbeiten.
- eine reflektierte und vielfältige Darstellung nicht-heterosexueller Lebens- und Liebesweisen in den Medien.
- stärkere städtische Präsenz und finanzielle Unterstützung von Veranstaltungen wie CSD und Internationaler Tag gegen Homo- und Transphobie.
- die Einbeziehung von LGBT*I*-Projekten und -Organisationen bei städtischen Veranstaltungen, Präsentationen und Publikationen und die Förderung von Projekten zur Beratung und Unterstützung von LGBT*I* und zur Information, Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung.
- verpflichtende Weiterbildungen zum Thema sexuelle Identität und Diversitytrainings von städtischen Mitarbeiter_innen.
Akzeptanz und gesellschaftliche Teilhabe HIV-positiver / chronisch erkrankter Menschen
Chronische Erkrankungen dürfen nicht zu Ausgrenzung und Armut führen, Beschränkungen am Arbeitsmarkt, im kulturellen und sozialen Leben müssen abgebaut werden. Im Rahmen öffentlichkeitswirksamer Kampagnen auf Landes- und Bundesebene muss intensive Aufklärungsarbeit zur Entstigmatisierung von HIV-positiven Menschen umgesetzt werden. Eine Infektion oder Erkrankung darf Menschen nicht aus der Gesellschaft ausschließen.
Es ist eine umfassende, gesellschaftliche Aufklärung – wie sie jetzt schon in Ansätzen geschieht – notwendig.
Der CSD Weimar fordert
- die Akzeptanz, Gleichberechtigung und uneingeschränkte gesellschaftliche Teilhabe HIV-positiver und Hepatitis-positiver Menschen sowie weiterer chronisch erkrankter Menschen insbesondere am Arbeitsplatz, bei Behörden und im Gesundheitswesen.
- verstärkte Aufklärungs- und Antidiskriminierungsarbeit gegen Stigmatisierungen chronisch erkrankter Menschen.
- die rechtliche Unterbindung in Bewerbungsverfahren oder während laufender Arbeitsverhältnisse einen HIV-Test zu verlangen.
- die verstärkte Unterstützung der Präventions- und Betreuungsarbeit der AIDS-Hilfen und die Gewährleistung einer Finanzausstattung, welche deren Arbeits- und Handlungsfähigkeit sicherstellt.
Ergänzung des Gleichheitsartikels im Grundgesetz um die Kategorie "sexuelle Identität"
Mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) von 2006 verpflichtet der Staat die Bürger_innen in einem gewissen Rahmen, niemanden aufgrund der sexuellen Identität zu diskriminieren. Inhaltlich ähnelt es dem Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), darf damit jedoch nicht gleichgesetzt werden. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz greift in das Privatrecht ein und grenzt die Privatautonomie ein, wohingegen das Grundgesetz prinzipiell nur Handlungen des Staates betrifft.
Das Grundgesetz (GG) sagt in Artikel 3 aus, dass niemand wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner "Rasse", seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden darf. Zudem darf niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Dieser Diskriminierungsschutz ist nicht ausreichend. Das Grundgesetz schützt LGBT*I*-Menschen also im Gegensatz zu anderen gesellschaftlichen Minderheiten nicht explizit vor Diskriminierung.
Für den Staat selbst haben die Gesetzesgeber_innen das Verbot von Diskriminierung in Bezug auf sexuelle Identität also bisher nicht im Grundgesetz festgeschrieben. Dieser Widerspruch muss beseitigt werden.
Der CSD Weimar fordert
- die Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal der sexuellen Identität, da nur so volle rechtliche Gleichstellung von LGBT*I*-Menschen und Schutz vor Diskriminierung wegen sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität erreicht werden kann. Sie verstärkt gleichzeitig die Interventionsmöglichkeiten von diskriminierten Menschen.